Fremdsprachen

Das deutschstämmige Kind beherrscht die deutsche Sprache bei Schuleintritt noch nicht, sondern treibt diese im Deutsch-Unterricht über viele Jahre hin zu ihrer vorläufigen Blüte. Grundsätzlich soll auch der Angehörige eines anderen Kulturkreises bei der Ausbildung seiner Muttersprache nicht auf Vorschulniveau stehen bleiben müssen. Die Freie Interkulturelle Waldorfschule Berlin möchte der jeweiligen Muttersprache des Kindes deshalb Raum geben, sich weiterzuentwickeln. Sie kommt damit auch dem Interesse vieler Eltern entgegen, welche die eigene Kultur nicht verlieren, und ihre Sprache pflegen möchten. Vor allem folgt sie damit aber einer pädagogischen Notwendigkeit: Ihrer Ansicht nach spricht nichts dagegen, wenn das Kind seine Muttersprache genau so gründlich ausbilden darf wie die deutsche Sprache, und sich hier eine Zusatzqualifikation erwirbt. Im Gegenteil – ein Abbruch der weiteren Ausbildung der Muttersprache, wie sie nur die Schule leisten kann, ist die schlechteste Voraussetzung für das Erlernen der deutschen Sprache.


Den pädagogischen Notwendigkeiten stehen jedoch vielfach staatliche Vorgaben im Weg. Der Gesetzgeber schreibt für die Erlangung der Hochschulreife die Prüfung zweier Fremdsprachen vor. Und er erlaubt dabei nur die Wahl ganz bestimmter Sprachen, bzw, verbietet die Prüfung anderer Sprachen. Damit benachteiligt der Staat gegenwärtig noch die Kinder von Zuwanderern gegenüber deutschstämmigen Kindern. Denn für ein Kind, das zu Hause z.B. serbisch spricht, ist Deutsch zunächst eine Fremdsprache. Die staatliche Prüfungsordnung bedeutet für dieses Kind also faktisch, dass es zusätzlich zur Muttersprache 3 Fremdsprachen lernen muss. Das deutschstämmige Kind dagegen wird in der eigenen Muttersprache, und in 2 Fremdsprachen geprüft. Es hat daher einen Vorteil gegenüber dem anderen, der systembedingt ist, aber nicht aus einer größeren Leistung resultiert.


Die Freie Interkulturelle Waldorfschule Berlin strebt danach, hier gleiche Voraussetzungen zu schaffen. Sie möchte grundsätzlich, dass etwa ein serbischsprachiges Kind auch die serbische Sprache wählen darf, so wie das deutschsprachige Kind ja auch die deutsche wählen kann, und den Angehörigen verschiedener Kulturkreise wenigstens gleiche Startbedingungen geben.


Die Freie Interkulturelle Waldorfschule Berlin bemüht sich in ihrem Sprachkonzept um einen Kompromiss zwischen gegenwärtiger Rechtslage und den pädagogischen Notwendigkeiten. Als erste prüfungsrelevante Fremdsprache legt sie Englisch verbindlich fest. Für Kinder von Zuwanderern bietet sie dann nach Möglichkeit außerdem Unterrichtseinheiten in ihrer jeweiligen Muttersprache an, auch wenn diese nicht prüfungsrelevant sind. Sofern eine ausreichend große Nachfrage vorhanden ist, und geeignete Lehrer gefunden werden, macht die Schule selbst ein entsprechendes Angebot. Vorgesehen ist, für die drei größten vertretenen Sprachgruppen ein entsprechendes Unterrichtsangebot zu machen. Daneben stellt die Schule ihre Räume zur Verfügung, damit auf Initiative der Eltern hin Nachmittags auch externe Träger ein erweitertes Sprachangebot machen können. Somit ist es trotz der staatlichen Vorgaben grundsätzlich möglich, dass z.B. ein serbischsprachiges Kind in der Freien Interkulturellen Waldorfschule Berlin Deutsch, Englisch und Serbisch lernt. Sofern sich in der Klasse viele serbischsprachige Kinder finden, bemüht sich die Schule, die entsprechende Leistung selbst zu erbringen.


Spätestens in der 9. Klasse muss sich der Schüler dann aber aufgrund der staatlichen Vorgaben entscheiden, ob er Abitur machen möchte, und den Unterricht der Muttersprache gegebenenfalls gegen eine zugelassene Fremdsprache tauschen. Türkisch ist neben englisch und russisch gegenwärtig die einzige hier relevante Sprache, die geprüft werden darf. Das heisst, für Türkisch ist es grundsätzlich möglich, den Unterricht dann auch in den oberen Klassen fortzuführen und als zweite prüfungsrelevante Fremdsprache zu wählen.